Rohrfrosten im Weltkulturerbe „Niedersächsisches Wattenmeer“
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Unter den Lieblingsferieninseln der Deutschen nimmt Borkum, die größte und am weitesten westlich gelegene ostfriesische Insel, einen der vorderen Plätze ein: Auf 5.000 feste Einwohner kommen rund 240.000 Übernachtungsgäste mit rund 2,3 Millionen Übernachtungen pro Jahr. Und diese Gäste erwarten ein ähnliches Komfortniveau wie auf dem Festland, also auch eine funktionierende Heizung und warmes Wasser. In vielen Häusern auf Borkum sorgt Erdgas für diesen Komfort. Die EWE NETZ GmbH, ein langjähriger Bardenhagen-Kunde, versorgt die Insel Borkum vom Festland über zwei Erdgasleitungen mit einer Gesamtlänge von rund 50 Kilometern Länge.
Die im Wattenmeer verlegten Stahlrohre sind durch eine Kunststoffummantelung geschützt und verfügen über einen aktiven kathodischen Korrosionsschutz. Angesichts der Bedeutung dieser Leitungen für die Insel werden die beiden Versorgungsleitungen regelmäßig überprüft, u.a. durch intelligente Molchungen. Um in der kalten Jahreszeit eine reibungslose Versorgung zu gewährleisten, werden solche Molchungen gewöhnlich in den Sommermonaten vorgenommen.
Dabei wird das sogenannte „Inline-Molch-Verfahren“ eingesetzt. Diese gründliche Untersuchung liefert detaillierte Informationen über den Zustand der gesamten Rohrleitung. Zunächst wird das Erdgas aus einer der Leitungen entfernt: Die Gaszufuhr zur Leitung wird unterbrochen und die Borkumer verbrauchen das restliche Gas in der Leitung innerhalb von etwa einer Woche.
Danach wird die Leitung mit Wasser befüllt. Ein spezielles Werkzeug, ein sogenannter intelligenter Molch, der durch Wasserdruck angetrieben wird und mit speziellen Messgeräten (Ultraschall und/oder Magnetfeld) ausgestattet ist, durchquert die Leitung von der Insel bis zum Festland. Dabei werden unter anderem die Lage der Leitungen im Wattenmeer, mögliche Veränderungen der Wanddicke und Korrosionsstellen am Stahlrohr erfasst. Nach Abschluss der Messungen wird das Wasser aus der Leitung entfernt, die Leitung getrocknet und anschließend wieder mit Erdgas befüllt.
Bei der letzten Inspektion trat leider ein Problem auf: In einer der beiden Leitungen blieb der Molch stecken und konnte nicht weiterbewegt werden. Die Versorgung der Insel Borkum konnte aber erst einmal über die andere Leitung sichergestellt werden. Nach einer internen Bewertung der möglichen Bergungsmaßnahmen nahm die EWE NETZ GmbH Kontakt zur Bardenhagen Niederlassung in Horneburg auf. Das Unternehmen ist unter anderem Spezialist für das sogenannte Rohrfrosten, eine Technik, bei der flüssiger Stickstoff zum Einsatz kommt. Als vom TÜV zertifizierter Fachbetrieb für das Rohrfrosten verfügt Bardenhagen über umfangreiche Erfahrungen in diesem Bereich.
Die Aufgabe war eindeutig definiert: Eine DN 100-Rohrleitung musste an zwei Stellen mittels Flüssigstickstoff eingefroren werden, um den zwischen diesen beiden Punkten festsitzenden Molch aus der Leitung herauszuschneiden und anschließend ein neues Rohrstück einzuschweißen. Erschwert wurde diese ohnehin anspruchsvolle Aufgabe noch durch die speziellen Anforderungen der Arbeitsstelle Wattenmeer:
Für die Baumaßnahme wurde mitten im Wattenmeer eine etwa 60 Quadratmeter große und 6,5 Meter tiefe Baugrube errichtet. Aufgrund der Gezeiten wurde die Baugrube mit Spundwänden gesichert und mit Schwimmpontons ausgestattet, um eine stabile Arbeitsfläche zu schaffen, die unabhängig von Ebbe und Flut genutzt werden konnte.
Alle benötigten Baumaterialien, wie Stickstoffbehälter, Schläuche und Manschetten sowie die Techniker von Bardenhagen wurden mit einem Transportschiff zur schwimmenden Plattform gebracht. Die beiden mit dem anspruchsvollen Projekt betrauten Bardenhagen-Techniker übernachteten sogar vor Ort, um die Arbeiten durchgehend betreuen zu können.
Nach dem zweitägigen Einsatz im Wattenmeer kehrten die zwei Bardenhagen-Techniker mit ihrem Equipment sicher in den Hafen von Emden zurück.
Nach dem Abschluss der Arbeiten und einer erneuten erfolgreichen Molchung kann jetzt auch wieder die zweite Erdgasleitung genutzt werden, so dass wieder eine Redundanz für die Gasversorgung von Borkum gewährleistet ist.